Morris Robert

Glasfenster

„mitfühlend pulsierende Linsen“
in der romanische Kathedrale St. Pierre et St. Paul de Maguelone

Als ich Robert Morris[1] im April 2010 anlässlich seiner Ausstellung in Mönchengladbach traf, bei der er meine Photos seiner Werke im Garten von Celle bei Pistoia betrachtete, hat er mir seine Widmung in das Buch geschrieben und regte an, ob ich nicht auch seine Glasfenster in Südfrankreich photographieren wolle.

IMG_6158_W

Titelblatt meines Photobuches mit seiner Widmung unter dem Photo der Mönchskutte, die vor vor dem Eingang zu einer Kapelle steht, die Robert Morris als Ambon gestaltete.

Im Juni 2015 hat es nun endlich geklappt, wir besuchten die Kathedrale bei Villeneuve-les-Maguelone. Das riesige Steinschiff auf einer kleinen Insel zwischen Meer und Salzwasserteichen ist umwachsen von Bärenklau, Pinien, Zypressen und Weinreben. Das kleine und enge Portal mit seinen Akanthusblattornamenten im Türsturz, der Tympanon mit Christus und den Symboltieren aus weißem Marmor führte uns in das Hauptschiff aus dem 12 Jahrhundert. Wir wurden von einer erhabenen Architektur mit ausladenden Proportionen empfangen. In der Apis mit den romanischen Fenstern konnte ich schon das Fensterglas von Robert Morris blau schimmern sehen.

M_F_Innen_002_W

 Robert Morris schreibt vom Spiel zwischen den Blöcken des Mauerwerks, von der Leere und der ernsten, unauffälligen Monumentalität: „Eine fast strenge Würde geht von dem Ort aus. Eine abgelegene, isolierte, heilige Landschaft. Die Ansicht, das Licht und das Gefühl von der Weite des Raumes dieses Ortes, verstärken die beständige Ruhe der Kirche selbst.“[2]

M_F_Innen_003_W

Die Glasfenster haben nur zwei Farbtöne: Blau und Honiggelb. „Farben des Himmels, des Wassers und der Sonne. Diese Farbtöne lassen das äußere Pulsieren, das in der Bewegung des Wassers, der Sonne, des Himmels und des Raumes gegenwärtig ist, in das Innere eindringen.“[3] Morris nimmt das Motiv der Welle und ihrer konzentrischen Bewegung auf, die ein Stein verursacht, der in das ruhige Wasser geworfen wird.

M_F_I_A_001_W

In einem neuen und speziell entwickelten Verfahren wurden die Gläser 2002 in den Werkstätten des Glaskünstlers Duchemin in enger Abstimmung mit Morris durch Hitze verformt, so dass sie eine Schwingungstiefe von ca. 6 cm und –breite von 12 cm erhielten. Dadurch erhielten die 17 Fenster die Form einer echten Welle und sind zur Skulptur geworden.[4]

„Ein feiner und irisierender Firnis wurde auf die inneren Flächen des geformten Glases aufgetragen, was den Wellenbewegungen des Glases einen leichten, fast immateriellen Glanz verleiht. Daraus ergibt sich ein seltsam widersprüchliches Phänomen von großer Immaterialität und zugleich wirklicher Präsenz.“[5]
Morris betont im Vorwort, dass er auf die „Zurückgenommenheit“ der Fenster Wert legte, sie sollen nur als „mitfühlende Linsen“ existieren.[6]

M_F_Innen_004_WPhoto, Text, H.E. Barfus, genannt Heinrich Paul

[1] Robert Morris, geb. 1931 ist ein amerikanischer Bildhauer und Konzeptkünstler. Er gilt als ein wichtiger Vertreter des Minimalismus, der entscheidende Beiträge für die Entwicklung der Performance, Land Art und der prozesshaften Kunst lieferte.
[2] Robert Morris: Vorwort. In Chaterine Grenier (Hrsg.): Robert Morris a Maguelone. Pantin 2003, S.9.
[3] Ebd. S. 12.
[4] Vgl. Gilles Rousvoal: Die Fabrikation der Glasfenster. In Chaterine Grenier (Hrsg.): Robert Morris a Maguelone. Pantin 2003, S.73-80.
[5] Ebd.
[6] Morris, S. 12.
Die Übersetzungen aus dem Französischen verdanke ich Gertraud und Gerd Holzammer.