Barfus Paul

Nachdem Paul Barfus einer meiner Vorfahren ist, hatte ich ein besonderes Anliegen seinen Weg zu recherchieren und die Arbeiten des Kupfer- und Reproduktionsstechers aufzuspüren.

Mit dem Namen Barfus sind in den kirchlichen Archiven seit mehreren Generationen 30 Familien in Großgründlach bei Nürnberg verzeichnet, der Erste, den der 30 jährige Krieg dorthin verschlagen hat war der Tagelöhner Georg Barfus (1674 – 1784) und seine Frau Margarethe (1685 bis 1749)[1]

In der Folge entwickelten sich ein Zweig von Tabakhändler oder Tabackmacher und ein zweiter der Kantoren und Schullehrer, aus der auch Johann Paul Cornelius Barfus stammte. Er wurde am 17. August 1823 geboren.

Mit 14 Jahren kam Paul Barfus 1837 in die Mayersche Kunstanstalt, eine Kupfer- und Stahlstichwerkstatt und Druckerei, ein künstlerisch-industrieller Mischbetrieb in Nürnberg am Paniersplatz. Er wurde von Carl Mayer1828 gegründet, hieß in der Nachfolge „Graphische Kunstanstalt“ und später Druckerei Zerreiss. Gleichzeitig besuchte Barfus, unter Leitung von Albrecht Reindel (1784-1853), die Kunstschule in Nürnberg.[2]

Elf Jahre bevor Paul Barfus die Kunstschule besuchte, war dort Julius Thäter Schüler unter Reindel. Thäter wurde später der Lehrer von Barfus an der Akademie in München. Nach dem Friedensschluss des Dreißigjährigen Krieges hatte sich in Nürnberg ein reger Buch- und Kunsthandel entwickelt. Kupferstich, Radierung und Schabkunst fanden ein reiches Betätigungsfeld.[3]

Selbstbildnis,
Lithographie 1849, 16,3 x 19 cm.
GNM Nürnberg L 5299, Kapsel 478.

1844 ging Barfus zu Direktor Neher auf die Akademie in Leipzig und wechselte 1851 nach München zu Julius Thaeter auf die Akademie in die Klasse für Kupferstecher.

Aus den Linien der Barfus in Großgründlach gingen neben Paul Barfus noch weitere drei nach München, u.a. mein Urgroßvater.

Mit 35 Jahren heiratete Paul Barfus am 4.5.1858 die 35 jährige Franziska Meier, geboren 1823 in München

Schäfers Heimkehr, 34,7 x 46,3 cm.
Stahlstich nach einem Gemälde von Jakob Grünenwald (1860).
Das Bild war damals sehr beliebt und fand als Stich weite Verbreitung, z.B. 1876 als Jahresgabe des Münchner Kunstvereis. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg K 6385.

Der Frankfurter Zeichenlehrer Friedrich Hoff schilderte in seiner Autobiographie[4] den Besuch der Klasse (1853/54) von Prof. Julius Thäter an der Akademie und beschreibt die Begegnung mit mehreren Kupferstechern: „Wir traten zu Barfus, einem Mann von dreißig Jahren, mit breitem glattem Gesicht. Er sah mich mit seinen dunklen Augen, deren Lebhaftigkeit gar sehr von dem kahlen Kopf abstach, durch die Hornbrille zutraulich an. Ein äußerst fleißig strebsamer Mensch, begann er gerade überglücklich den Stich Jesu Tod am Kreuze nach Schnorrs Altargemälde in der protestantischen Kirche zu München wonach er auch auch die Zeichnung gefertigt. (…) Man gab ihm, da er die Porträts mancher protestantischer Geistlicher stach, scherzweise den Namen `protestantischer Kupferstecher`. Er allein war Bayer und genoß dadurch ausschlißlich die Vergünstigung des Stipendiums von 100 Gulden für diese Schule:“


Kreuzigung Christie, Kupferstich 15,7 x 11,5 cm.

Nach Julius Schnorr von Caroldsfeld. Verlag Rauhes Haus Hamburg (1833 von Wichern gegründetes Rettungsdorf für Verhaltensauffällige). Dresden; Depositum Schnorr:Pos. 16/ 7.

Es ist ein Stich nach Schnorrs Altargemalde für die Mathäuskirche, dir erste protestantische Kirche Münchens, die 1833 eingeweiht und auf Drängen Hitlers 1938 abgerissen wurde.Thäters Kupferstichklasse ging regelmäßig Sonntags dort zum Gottesdienst. Dort hat auch die protestantische Königin Maria von Bayern teilgenommen, von der Barfus sehr aufmunternde Unterstützung unterhielt.

Wilhelm, Gustav, Ludwig Hofacker (1798-1828), Kupferstich, ca. 15,5×10,5 cm. Evangelischer Theologe, Erweckungs-prediger. Anfang 19. Jahrhundert hatte er mit seinen Christzentrierten Pre-digten in Württemberg großen Zulauf und Einfluss auf die Erneuerungs-bewegungen in den pietistischen Gemeinden. Mehrere Bücher mit Predigten sind in sechs Sprachen übersetzt worden.

Photo: Julius Cäsar Thäter (1804-1870) und seine Schüler, Foto 1855.

vorne von links :Bollmann, Friedrich Wilhelm Emil (1825-1882) Barfus Paul, Thäter, Kräutle
hinten von links: Waldes? Bruder?,Burger Johannes, Petzsch, Robert Constanz (1827-1895) Zimmerman Ernst Julius (1830-1861) (mit Friedrichs Porträt) SLUB Dresden, Deutsche Fotothek

Hoff schildert gesellige Treffen in der Wirtschaft Blaue Traube[5]: „Als ich mit Bollmann eintrat, war schon die mir bekannte Jungschar: Barfus, Burger, Ernst, Friedrich, Petsch Walde und Zimmermann beisammen. (…) ich fühlte mich gleich so wohl in der Gesellschaft, daß ich mich jedesmal auf diesen Abend freute und ihn kaum versäumte. (…) War eine Zeitlang das schäumende Naß gekostet, auch ein einfaches Abendbrot, ‚a g´selchts‘ Wurst, verzehrt, so wurde gelesen, (…) unter anderem das Hildebrandslied. (…) Abwechselnd kam an jeden die Reihe; (…). Die meisten lasen vorzüglich, und ich erinnere mich mit Freuden der unterhaltenden Stunden; (…). Hoff schildert wie gemeinsam gesungen und musiziert wurde: „ besonderes Vergnügen machten uns die Pinzgauer Wallfahrt und der Krähwinkler Landsturm. Barfus konnte die vielen lustigen Verse, und wir alle fielen gern in den äußerst heiteren Refrain ein. (…) Auch Trinklieder, obschon ich selbst niemals ein Trinker war, mußte ich anstimmen: Ich verglühe! schenket ein! und: Der Wein erfreut des Menschen Herz.

„Barfus stiller, ernster Sinn  zog mich sehr an. Er wohnte auch in der Schwanthaler Straße und hatte die Aussicht nach den Alpen über die Zugspitze hinaus, ein schönes Panorama, (…) oft saßen wir an dem Fenster, das solchen Genuß bot.“ Einen Stock tiefer wohnte Robert Petsch, der ebenfalls in der Klasse Thäter war.

Auerbachs Keller, Radierung 1887, 39,8 x 57,3 cm.
Nach Lindenschmit der Jüngere (1829-1895), Szene aus Goethes Faust I, Verse 2158ff.

Dargestellt ist die Gaststube im Keller mit Gewölbe und schweren Pfeilern, im Hintergrund rechts Fässer, mittig Holztisch und 2 Bänke, daran fünf Zecher in bewegten Posen, von rechts tritt eine Kellnerin mit Krug heran und gibt einem Zecher die Hand. Links sind Faust im Renaissance-kostüm und Mephisto eine niedere Treppe herabgestiegen und blicken in den Raum. Eine erzählerisch angelegte Szene in der Tradition der Münchener Historien- und Genremalerei in brillanter Reproduktionsgraphik, in perfektem, sehr farbsatten Druck.
1874 ist Barfus zum Meister des Freien Deutschen Hochstifts ernannt worden. Eine Vereinigung die 1859 in Frankfurt gegründet wurde zur Pflege von Kunst, Wissenschaft und Bildung. Unter der Platte ist vermerkt: „Dem Deutschen Freien Hochstift zu Frankfurt a/M. widmet für seine Kunstsammlung diesen Abdruck, „Auerbachs Keller“, der Stiftsgenosse / Paul Barfuß zu München Dez. 1887.“

Künstlerverein Kassandra

Das Gedenkblatt des Vereins, das Paul Barfus mit unterzeichnete, ist von 1876. Es war ein lockere Verbindung von Vertretern der Münchner Schule von Landschafts-, Genre- oder Tiermalern.

Diese Gemeinschaft diente nicht nur dem Erfahrungsaustausch bei geselligen Treffen, sondern auch geschäftlichen Interessen. Georg Jakob Wolf hat in seinem Buch: „Münchner Künstlerfeste“ 1925 erklärt, dass der Name „Kassandra“ nichts mit der Tochter des Priamus zu tun hat. Nach Wolf entstand der Namme durch die Sitte, dass bei jedem Treffen im Gasthaus den „Kas a andra“ (Käse ein anderer) mitbringen mußte.

Im Alter war Barfus geplagt durch ein, wie es heißt „bedenkliches“ Augenleiden und einer Lähmung der Füße. Er starb am 24. März 1895. In der Kunstchronik war die Anzeige zu lesen:

Todesanzeige:

Der Kupferstecher, Paul Barfus, ein Schüler Julius Thäters, der besonders nach J. Schnorr, Fr. Schwörer, Lindenschmit, Defregger und außerdem zahlreiche Bildnisse gestochen hat, ist am 24. März in München im 72. Lebensjahr gestorben.[6]

oben: Fénelon, François de Salignac de La Mothe, Mischtechnik (radiert und gestochen) 1858. (Ausschnitt).
Erzbischof, Schriftsteller, Theologe. (1651-1715). Nach Jos. Vivien (1657 -1734), Alte Pinakothek. Freies Deutsches Hochstift- Frankfurter Goethemuseum, III-4533.

rechts: Beethoven, Kupferstich mit Radierung,
54.6 x 37,2 cm(1870?).
Nach einem Gemälde von Fritz Schwörer (1833-1891).
GNM Inventarnr. K 6386.

links: Mozart, Kupferstich mit Radierung 54,6 x37,2 cm.
Nach einem Gemälde von Fritz Schwörer (1833-1891).
GNM Inventarnr. K21533.

Zur Feyer des Kirchenjahres. Schrifttexte und Gebete aus dem XV. Jahrhundert. In Stahl gestochen von Paul Barfus, H. Walde, R. Petsch. Paul Barfus hat 31 Bilder und das Titelbild gestochen. Er schuf viele Porträts, darunter 1857 Luther auf dem Sterbebett nach L. Cranach, die Bildnisse Melanchthon’s und Luther’s nach G. König. Dazu kamen viele kleine religiöse Bilder für den Kunstverlag Manz in Regensburg

Die Kupfer-und Reproduktionsstecher hatten kein einfaches Los mit den Künstlern zusammenzuarbeiten, so berichtet der Lehrer Thäter in einem Zeitungsartikel „wie schwer es geworden ist, den Anforderungen dieser Künstler nur einigermaßen Genüge zu leisten, wie viele Demütigungen sie erfuhren und wie manche trübe Tage und schlaflose Nächte ihnen bereitet wurden!“[7] Möglicherweise sahen die Maler auch eine Befreiung von den Interpretationskünsten des Kupferstechers in den Möglichkeiten der Fotografie und den sich entwickelnden Reproduktionstechniken

Thäter schreibt in diesem Zeitungsartikel, „daß die „Photographie (…) bereits dem Kupferstich und in zweiter Reihe auch aller reproducierenden Kunst den Todesstoß gegeben“ hat. „Welche Copie könne getreuer und feiner sein, als welche die Natur selber erzeugt?“ (…) Wozu noch nach eifrige Vorstudien, Jahre lang über einer Kupferplatte brüten, wenn der Apparat das Alles in wenigen Secunden vollführt? Der Stecher ist einfach außer Brod gesetzt (…)“8

„.Photgraphische Nachbildungen“ wie er sagt, fehlt „die entsprechende Wirkung die mit Zeichnungen und Kupferstichen erzielt werden kann…“ und bezweifelt die räumliche Richtigkeit. Außerdem fehlt Fotos einfach das, wodurch Kunstwerke auf uns einwirken, nämlich der „unmittelbare Zusammenhang mit der fühlenden Hand des Künstlers, es fehlt die Spur des warmen Lebens. Das Werk der Phantasie und der Eingebung hat sein originales Gepräge gegen die kalte Äußerlichkeit des Fabrikats vertauscht. Daher auch jener eignthümliche Ausdruck von Trägheit und Trauer, der selbst en besten Photographien anhaftet; der Schein von Schwermuth und kalter Glätte, von einer leichenhaften Eintönigkeit, die sich aus dem einförmigen alles nivellirenden Wesen eines rein physischen Processes leicht erklären läßt.“8

Industrielle Reproduktionstechniken hatten die traditionellen Gattungen der Druckgrafik marginalisiert. Die Kupferstecherschule wurde in München 1895 geschlossen. Die Kupfer- und Reproduktionsstecher waren die Vorläufer moderner Druckvorlagenherstellung

Anfang der 60-er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde ich als Reprophotograph ausgebildet, wir reproduzierten in feinster Qualität die Druckvorlagen in Text und Bild für die verschiedensten Drucktechniken. Unsere Kameras hatten riesige Ausmaße: Hier eine Reprokamera die 1930 erstmals gebaut wurde. Mit solchen Kameras wurde noch in den 60’ern fotografiert :

In der Druckvorlagenherstellung waren vom Setzer, dem Retuscheur und dem Reprophotographen eine Vielzahl von Menschen beschäftigt. Wir waren überzeugt, dass diese Spitzentechnik nur noch wenig weiterentwickelt werden kann und konnten uns Anfangs nicht vorstellen, dass der Wechsel von analoger zu digitaler Technik revolutionär ist. Vergleichseise ging es uns wie Julius Thäter in der Einschätzung unseres Berufes.

Heute gibt es diese Berufe nicht mehr. Ein Beschäftigter an einem Computer schaftt schneller und mehr als Tausende von Druckvorlagenherstellern. Die Kamera ist heute ein Prunkstück im Kameramuseum in Plech.

Text und Recherche Heinrich Paul, geboren als Heinrich Ernst Barfus


[7] Julius Thäter. Über Reproduction in der bildenden Kunst. Augsburger Allgemeine Zeitung Nr. 201 u. 202. 1867. Thäter der den Nazarenern nahe stand ist 1870 verstorben.

[8] Thäter AAZ.

[6] Kunstchronik, Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe, Neue Folge, V, I, 1895, Nr. 21, 4. April, S.347.


[5] Hoff Lehrjahre, S. 221-223, 256

[4] Friedrich Hoff: Lehrjahre bei Ludwig Richter und in München. Frankfurt 1903, S. 211 u. 212.

[1] Auszüge aus dem ev. Pfarrarchiv Großgründlach A 52.

[2] Vgl.,Meyers Konversationslexikon, Biographisches Künstlerlexikon, Band 39 Seite 31 Baer bis Baric

[3] Vgl., Ludwig Grote. Joachim v. Sandrart und Nürnberg. In: Franz Winzinger (Hrg.).Geschichte der Akademie. Dreihundert Jahre Akademie der bildenden Künste in Nürnberg. Nürnberg 1962, S. 32-43, hier S.37.