Knaupp Werner

Sehr geehrter Werner Knaupp,
an einem Freitagnachmittag schlenderten wir zur Galerie Defet um Ihre Ausstellung zu besuchen. Als Photograph war ich sehr neugierig auf Ihre außergewöhnlichen Perspektiven von Blumen in extremer Nahaufnahme, die sie dort vorstellten.
Zwischen den Farbakkorden saßen wir mit Ihnen im Gespräch auf den schmalen Galeriestühlen. Schön, dass Sie anwesend waren, uns Ihre Farben, Erzählungen und abstrakte Klangflächen schenkten, die wohl geordnet um uns wirbelten.

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Werner Knaupp 25.04.2014 in der Ausstellung „Blumen, Natur ohne menschliches Maß“, Fotografien im Galeriehaus Defet.

In mir tauchten auch bald Erinnerungen an Ihre vorausgehende Ausstellung in diesen Räumen auf; diese dunklen, schwarzen Wasserbilder der Westmännerinseln und Islands, mit ihren weißen, satten, pechschwarz triefenden, schichtweisen haptischen Acrylauftrag und obendrein – oder besser untendrein – der korrespondierend, schwarz glänzende Galerieboden inside the white cube.

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Aussstellung Galeriehaus Defet: „Werner Knaupp 2002-2008“, Aufnahme Juli 2009.

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Galeriehaus Defet: „Westmännerinseln“ Bilder von 1,50 Höhe und einer Breite bis 2,50, Acrylfarbe auf der Leinwand am Boden geschichtet und aufgetragen, Aufnahme Juli 2009.

Jetzt sah ich explodierende, glatte Farbflächen an den Wänden, die sich im schwarzen Galerieboden spiegelten. In seiner Mitte lagen rau geschmiedete Eisenskulpturen aus Eisenrohren und Gasflaschen, gebrannt und geformt in einer Esse bei extremer Hitze. Diese Rümpfe stellten ein Memento Mori zu den farbstrahlenden Flächen der glatten Photos dar; menschliche Torsos, Reste von Schädel die gleichsam geboren wurden aus dem Feuer im Herd des Metallarbeiters. An den Wänden das Feuer der Farben. Beides bildete für mich eine Einheit, das eine kann ohne dass andere nicht existieren, die zwei Seiten ein und derselben Medaille.

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Ausstellung Galeriehaus Defet: Werner Knaupp, „Natur ohne menschliches Maß“, Blumen, Fotografien von 2013 und Eisenplastiken von 1984-87, Aufnahme April 2014

IMG_0881_W IMG_0891_WMeine Gedanken gingen zurück zu der Ausstellung Ihrer Kugelschreiber-VerDichtungen, die ich 1969 in dieser Galerie sah: die „Vulkanbilder“.
Im kleinen Katalog zur damaligen Ausstellung, schrieb Gisela Brackert: „Er suchte die Einsamkeit und fand sie in der Wüste. Dieser Winter in der Sahara 1964/65 wurde für Knaupp zur großen Zäsur. Als er zurückkam, verbrannte er den Großteil seiner früheren Arbeiten und begann mit dem, was er von nun an als seine eigentliche Aufgabe empfand, mit der systematischen Auswertung dessen, was das Erlebnis der großen Naturräume in ihm ausgelöst hatte,“ und wie sich diese Kraft entfalten und zur Existenzkrise werden kann.
Ich sah die wirkungsmächtigen Farbbilder und Eisenskulpturen am Boden vor mir und dachte an Ihre „kleine“ Nikon, die bildlich gesprochen vor den „kleinen“ Primeln kniet, deren Abbildungen sich zu einer Kraft und zu „großen Naturräumen“ entfalten und enthüllen. Grave — schwer — so heißt es in der Musik, ich füge hinzu: con brio — mit Schwung und Feuer.

Für einige Kunstinteressierte war dieser Spurenwechsel nicht nachvollziehbar, „was will der Knaupp jetzt mit Blumen“ so berichteten sie uns, jedoch sehen sie in ihrem Werk immer wieder Brüche, fügten Sie hinzu – und jetzt?
„Ich möchte meinem Werk noch etwas obendrauf setzen“, sagten Sie lachend.

Auf meiner Reise in Japan 2012 las ich ein Haiku von Buson aus dem 18. Jahrhundert, welches ich Ihnen, neben meinen Photos, noch mitschicken will:

„Zu Blüten ging ich,
Und unter Blüten schlief ich:
Die wahre Muße!“

Mit den allerbesten Grüßen und Wünschen
Im August 2014


Ausstellung Kunstmühle Mührsbach: Natur ohne menschliches Maß, 2014.

Neues Museum Nürnberg: Tabula Rasa.
Werner Knaupp zum 80. Geburtstag, 2016

Im Hintergrund: Kreuzweg 1977-79, NKH Bayreuth,
14 Zeichnungen, Kohle und Gouache auf Papier.
Vorne: Schlachttisch, 1984, Eisen und Eisen gebrannt, Corpus lose aufliegend.

Blick in die Ausstellung: Im Vordergrund: Blumen III/2016-1,
mit Acryl schwarz übermalt, 90 x 120 cm, auf LupoBond Classic.

Blumen II -4er- Block I/ 2016, 4 Fotografien, geschnitten, auf LupoBond Classic.
Blumen II -3er- Block II/ 2015, 3 Fotografien, geschnitten, auf LupoBond Classic.

Ausstellung Neues Museum Nürnberg: Raum um Raum, 2016

Schenkung Marianne und Hansfried Defet

Werner Knaupp: Blumen 3-er Block, 2013, Farbdruck.
Vorne Karl Prantl: Stein zur Meditation, 2002, grüner kubanischer Serpentin.
Werner Knaupp: Westmännerinseln 4- teilig, 2008, Acryl auf Leinwand.
Vorne Karl Prantl: Zur Meditation, 1993, finnischer Granit.

Atelierbesuche bei Werner Knaupp

Foto Barbara Knaupp Dez. 2016
Foto Barbara Knaupp, Dez. 2016.
Dezember 2019.
Notizen nach einem Besuch im Atelier von Werner Knaupp
am 11. Februar 2018.

Ich kann nicht einschlafen. Unsere schwarze Katze Meret schleicht um mich herum, sie spürt meine Unruhe. Ich denke an die Begegnung mit

dem Maler Werner Knaupp und seinen neuesten Bildern.

Wir gingen die Treppen hinab in sein großes Atelier, vorbei an den riesigen, schwarz-weißen Tafeln der Westmännerinseln und stießen auf den Kon-trast von Blumenfarben und schwarzen Bildern.

Die Macht der Farben, in das große Schwarz eingebunden, machte mich einige Zeit wortlos, als ob das Schwarz sagen würde: „Seht her, in mir stecken sie alle, die Farben“.


Schwarzes Acryl verdeckte die farbigen Blütenbilder.
Apokalypse, Blumenfinsternis………………?

Erst etwas später konnte ich Buchstaben, Worte erfassen, die aufstiegen und auch wieder vergingen.
Das Wort – Gott – versinkt in den Wörtern Sucht, Zorn, KZ.


Die Zeichen wanderten an mir vorbei wie Chiffren, als Werner Knaupp

die Bildtafeln verschob, sie neu zusammenstellte, andere hinzunahm, wegnahm und immer wieder in dreier Konstellationen aneinanderfügte, gleich einer szenischen Realisierung, in dem der Regisseur seinen Bil-
dern die Anweisung gibt sich darzustellen.
Meine Kamera begegnete ihnen.

Es tauchten die uralten Fragen auf: Warum? Wo ist Gott?
In der Apokalypse las ich, dass eine Stimme zu den Engeln sprach:

„Geht hin und gießt aus die sieben Schalen des Zornes Gottes auf
die Erde.“ (16/1).

Bei dieser „Aufführung“ der wandelbaren Triptychen dachte ich an das Erhabene und Sublime, das auf eine Eigenschaft von Größe hinweist

und Grenzphänomene andeutet, welche über das gewöhnlich Schöne hinausreicht. Es löst unvergleichliche, sinnliche Erfahrungen aus, wel-
che vom Erstaunen zum Schrecken oder Schmerz führen.

Hier im Atelier bewegten sich Farben, Formen und Schichten, die Raumtiefe erzeugten – im Schwarzen leuchtende Feuer. „Schwarz wie

der Mund der Nacht“, schrieb der Maler und Dichter Raffael Alberti
in seinen Betrachtungen über die Farben.

Auf der Heimfahrt begegnete uns ein regnerisch graues Nieseln, das in Schneeflocken überging. Im Autoradio hörten wir von einem Flugzeug-absturz, dass in Syrien erneut Giftgas abgeworfen wurde und gleichzeitig andere, verwirrende Berichte vom Karneval, es ist Faschingssonntag.

Wir erinnerten uns an das Gespräch mit Barbara und Werner Knaupp
,
bei Kaffee und Kuchen, bevor wir ins Atelier hinabgestiegen waren. An
die Erzählungen von Werner Knaupps Kindheit in Stein, wie er als Kind den kleinen Spielzeugpanzer blau anmalte und hingerissen war vom Feuer, welche die Bomben aus der Ferne hinterließen; wie ihn die sogenannten Christbäume faszinierten, die vor dem Bombardement gesetzt wurden:
„Komm rein sagte die Mutter…. die Angst war spürbar, aber nicht erklärbar. Der Vater war im Krieg“.
Werner Knaupp erzählte uns von seinen Grenzerfahrungen, die ihn auf vielen Reisen herausgefordert hatten.


Ich will nun schlafen, meine Notizen beiseitelegen und denke mir noch: Leben heißt geboren werden und sterben, alles dazwischen dient nur
dazu diese beiden Vorgänge zu verstehen.

Ausstellung Kunstforum Städtische Galerie im Lenbachhaus, München:

Werner Knaupp,  Die Hülle, 1987.

Foto Philipp Schönborn.
Standort seit 2017 im Stadtpark der Stadt Stein bei Nürnberg.
Aufnahmen Dezember 2017.
In seinem Essay „Die ursprüngliche Struktur des Kunstwerks“ beschäftigt sich Giorgio Agamben mit dem Wesen des Rhythmus, und weist darauf hin, dass das Wort sich aus dem griechischen rheō ableitet und gleiten und fließen bedeutet.

So gleitet und fließt die „Hülle“ im Park und doch steht sie still. Ein Phänomen,
das ich immer wieder auch mit meiner Fotografie in Zusammenhang bringe, deshalb fotografiere ich gerne in Serie, wie auch hier.

„So bemerken wir, wenn wir ein Kunstwerk oder ein im Licht ihrer eigenen Anwesenheit liegende Landschaft vor uns sehen, einen Stillstand in der Zeit,“
so Agamben, „als wären wir plötzlich in eine ursprüngliche Zeit versetzt wor
den. Es gibt da so etwas wie Stillstand, eine Unterbrechung im unablässigen
Fluß der aufeinanderfolgenden Augenblicke, der unaufhörlich aus der Ver-gangenheit in die Zukunft strömt. Und dieser Stillstand, dieser Bruch sind
genau das, was uns den besonderen Status, die eigene Weise der Anwesenheit
des Kunstwerks oder der Landschaft, die wir vor Augen haben, offenbart. (…)
Wir stehen davor, als würden wir festgehalten, (…) Ein solches ‚Fest‘ oder ‚Zurückhalten‘ – ein Schenken, das seine Gabe darbringt und zugleich verbirgt – trägt im griechischen den Namen epochē. Das Verb epochē, von dem dieses Substantiv abstammt, hat zwei Bedeutungen: zurückhalten und aufschieben,
aber auch bieten, präsentieren oder geben.“

Wirkt die Skulptur in der Galerie im Lenbachhaus 1987 fast „eingezwängt“, so atmet sie jetzt im Park von Stein den Raum, die Natur, die Jahreszeiten, das Licht und die Schatten. Gleichzeitig bestimmt sie den Raum und setzt ein markantes Zeichen. Die „Hülle“ präsentiert sich stolz, schenkt uns etwas, aber sie hält auch etwas zurück, sie verbirgt etwas und zeigt uns die Bewegung im Stillstand.
Zitate aus Giorgio Agamben: Der Mensch ohne Inhalt. Berlin 2012, S. 131, 132.
Aufnahmen Sept. 2020
Wir bedanken uns bei Barbara und Werner Knaupp 
für die vielen interessanten, herzlichen 
und sehr intensiven Begegnungen
 
Marlene und Heinrich Paul
Okt. 2020

Texte und Photo Heinrich Paul, wenn nichts anderes vermerkt ist.

Der blau unterlegte Name Knaupp am Anfang der Seite, ist ein Link 
zu der sehr sehenswerten Homepage des Künstlers.